Menetekel USA


Das Ende vom "Ende der Geschichte"

Abgesang auf eine typisch amerikanische These

Als das östliche Imperium zusammenbrach, erschien ein Buch mit dem Titel "The End of History and the Last Man". Der amerikanische Politologe Francis Fukuyama sah darin das Ende der Geschichte gekommen: Mit dem Sowjetsystem sei der letzte große Widersacher der liberalen Demokratie verschwunden. Nun würden sich weltweit wirtschaftlich-politische Verhältnisse nach Art der USA durchsetzen - als "end point of mankind's ideological evolution" und "final form of human government''.

Das klang, als würde Hollywood nun auch die Geschichte selber verfilmen und fürs obligatorische Happy-End sorgen. Wahlweise konnte man sich auch an die Sowjetideologie erinnert fühlen, die ja die Welt ebenfalls einem Endzustand zustreben sah, nur unter anderem Vorzeichen. Fukuyama vertrat jedenfalls in Reinkultur, was Popper als "Elend des Historizismus" bezeichnet hat.

Inzwischen zeigt sich aus zehn Jahren Abstand*), daß die inneren Spannungen des globalen Kapitalismus eher stärker geworden sind. Mit dazu beigetragen hat die Konkursmasse des real existierenden Sozialismus. In ihrer Labilität ist sie vielleicht sogar eine größere Gefahr als vordem in ihrer relativen Stabilität. Hinzu kommen die ungelösten und sich verschärfenden Probleme in anderen Teilen der Welt.

Auch am grünen Holz der westlichen Industriestaaten sieht es mit der liberalen Demokratie nicht gut aus. Ihr droht die soziale Grundlage wegzubrechen. Man denke nur an die Ideologie des Neoliberalismus, an die Abkoppelung der Finanzmärkte von der realen Wertschöpfung, an die Dotcom-Blasen, an Massenarbeitslosigkeit als Normalzustand oder an die kurzfristige Orientierung am "shareholder value". - Man könnte meinen, der Kapitalismus sei nun wild entschlossen, sich selber das Grab zu schaufeln, nachdem ihm der jahrzehntelange Gegner abhanden gekommen ist.

Der erfolgreiche Währungsspekulant George Soros - einer, der es wissen muß - diagnostiziert in seinem Buch "Die Krise des globalen Kapitalismus" eine  Tendenz zum "Raubkapitalismus". Dieser Raubkapitalismus bedrohe nicht nur die wünschenswerte offene Gesellschaft, sondern die Grundlagen des kapitalistischen Weltsystems überhaupt. Die Ideologie des "Marktfundamentalismus" sei inzwischen so mächtig, daß alle politischen Kräfte, die sich ihm zu widersetzen wagen, kurzerhand als sentimental, unlogisch oder naiv gebrandmarkt würden. In Wahrheit sei aber der Marktfundamentalismus selbst naiv und  "nur durch den Glauben an die Macht der Magie" zu erklären. In diesem Zusammenhang übt Soros auch ätzende Kritik an der "modernen Alchemie" der Wirtschaftswissenschaften.

Allerdings behält Fukuyama in einem Punkt recht: Die USA haben noch immer Vorbild-Charakter für die übrige Welt. Schon die alltägliche Erfahrung zeigt: Was jenseits des Atlantiks Konjunktur hat - von "McDonalds" bis zum geistigen junk food  - reüssiert bald auch in Europa. Insofern zeigen uns die USA nur unsere eigene Zukunft. Der Abstand des europäischen Beobachters ist aber noch immer so groß, daß ihn beim Anblick des Menetekels USA mitunter eher das Grausen überkommt...

*) Dieser Artikel wurde im Jahr 2001 verfaßt

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