Artikel im "Spiegel" Nr. 13/1965 zum Prozeß gegen die Mannheimer "UZ": Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen das mutmaßliche kommunistische Tarnblatt waren äußerst dürftig. Sie bedeuteten einen Angriff auf die Pressefreiheit schlechthin.

Unsere Zeit (UZ)

(Mai 1962 - April 1964)

Während des KPD-Verbots, dem 1956 das "Badische Volksecho" zum Opfer gefallen war, erschien in Mannheim von Mai 1962 bis April 1964 "Unsere Zeit" (UZ). Die Zeitung kam alle zwei Wochen mit 12 Seiten Umfang heraus. Als Verleger zeichnete der Mannheimer Schlosser Eugen Straub, ein stadtbekannter Linker, Gewerkschafter und Mitglied der "Naturfreunde". Als Redakteur fungierte ein junger Mann, der Eberhard Weber hieß. Die Redaktion befand sich in der Heinrich-Lanz-Straße 44 nahe dem Hauptbahnhof.

Der Druckauflage der "UZ" lag zwischen 2500 und 3000 Exemplaren. Das Blatt wurde ausschließlich im Abonnement vertrieben. Der Rest der Auflage wurde zu Werbezwecken in irgendwelche Briefkästen gesteckt.

Eugen Straub hat seinen Angaben zufolge rund 10000 Mark in dieses Projekt investiert. Als das Geld aufgebraucht gewesen sei, habe er das Blatt eingestellt. Die letzte Ausgabe erschien im April 1964.

Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Karlsruhe wollte den Mannheimer Verleger und seinen Redakteur freilich noch strafrechtlich verfolgen - wegen Verstoßes gegen das KPD-Verbot. Sie seien nämlich im Sinne des KPD-Verbots straffällig geworden, "indem sie die Politik der Bundesregierung negativ beurteilt" hätten. Sogar die Wiedergabe einer Mai-Losung des DGB wurde den Angeklagten als kommunistische Propaganda zur Last gelegt. Auch von anderen Formulierungen, die ebenso in "Spiegel", "Zeit", "Frankfurter Rundschau" oder "Süddeutscher Zeitung" hätten stehen können, nahm die Staatsanwaltschaft an, sie seien dem Sprachgebrauch der "Sowjetzone" entlehnt. Damit wurde aus diesem Prozeß gegen ein mutmaßliches kommunistisches Tarnblättchen ein Angriff auf die Pressefreiheit schlechthin.

Mittlerweile dürfte feststehen, daß an der "UZ" zumindest KPD-Mitglieder mitgewirkt haben. Denn es war sicher kein Zufall, daß ihr Titel später im Zentralorgan der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) wiederauflebte, die sich nach der faktischen Außerkraftsetzung des KPD-Verbots im Jahr 1968 konstituierte. Der ehemalige UZ-Redakteur Eberhard Weber übernahm führende Positionen in der neugegründeten DKP und war bis 1986 deren Pressesprecher. Eine Zeitlang war er auch stellvertretender Chefredakteur des nunmehr täglich erscheinenden Parteiorgans "UZ - Unsere Zeit".