Die Verhandlungen über eine Fusion von "Rheinpfalz" und "Mannheimer Morgen" galten bereits als abgeschlossen und wurden Anfang Februar 1971 öffentlich mitgeteilt. (165) Kurz darauf platzte die geplante "Elefantenhochzeit" dann doch noch.

Gong zur letzten Runde

Der Machtkampf ums Zeitungsmonopol in Nordbaden und der Pfalz

Seit der wirtschaftlichen Einverleibung der "AZ", die bis zu ihrer endgültigen Einstellung nur noch eine Art Alibi-Funktion hatte, besaß der "Mannheimer Morgen" praktisch das unumschränkte Zeitungsmonopol in Mannheim. Umso schärfer mußten nun die Gegensätze zu den beiden angrenzenden Zeitungsmonopolen hervortreten, nämlich zur "Rheinpfalz" in Ludwigshafen und zur "Rhein-Neckar-Zeitung" in Heidelberg.

Zum Konkurrenzkampf der Zeitungsmonopole untereinander gehörte seit jeher der Pfahl im Fleisch des anderen. So bildete das "Heidelberger Tageblatt" seit jeher das wichtigste Druckmittel des "Mannheimer Morgen" gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung". Umgekehrt scheute die "Rhein-Neckar-Zeitung" keine Kosten und Verluste, um in Mannheim ihre äußerst auflagenschwache Lokalausgabe am Leben zu erhalten.

In Ludwigshafen war der "Mannheimer Morgen" seit 1953 vertreten und hatte somit den Fuß einen Spalt breit in der Tür zum Verbreitungsgebiet der "Rheinpfalz". 1968 wurden die bis dahin getrennten Lokalteile für Mannheim und Ludwigshafen in einer Ausgabe vereinigt. (164)

Die "Rheinpfalz" war ihrerseits in Mannheim kaum nennenswert vertreten, mußte aber aufgrund ihrer weitgefächerten Unternehmensbeteiligungen als das wirtschaftlich potentere Unternehmen gelten. In dieser Situation gab es zwei Möglichkeiten: Die eine war ein scharfer Konkurrenzkampf, freilich auf die Gefahr hin, daß zwei annähernd ebenbürtige Konkurrenten sich gegenseitig aufrieben. Die andere war der Zusammenschluß beider Konkurrenten zu einem den Rhein überspannenden Zeitungsmonopol, das seinerseits keine Mühe mehr haben würde, sich andere Konkurrenten zwischen Frankfurt und Stuttgart einzuverleiben.

Anfang der siebziger Jahre gaben die beiden Zeitungsmonopole einer "friedlichen" Lösung zunächst den Vorzug. Die Verhandlungen über eine Fusion von "Rheinpfalz" und "Mannheimer Morgen" galten bereits als abgeschlossen und wurden Anfang Februar 1971 öffentlich mitgeteilt. (165) Kurz darauf platzte die geplante "Elefantenhochzeit" dann doch noch. Angeblich war man sich über "organisatorische Fragen" und die "Unabhängigkeit der Redaktionsleitung" nicht einig geworden. In Wirklichkeit dürfte der Appetit beider Seiten größer als der Kuchen gewesen sein. (166)

Seit dem mißlungenen Fusionsversuch gingen "Rheinpfalz" und "Mannheimer Morgen" verschärft auf Konfrontationskurs. Mit einem kostenlos verteilten "Mannheimer Wochenblatt" versuchte die "Rheinpfalz", ins Anzeigen-Gehege des "Mannheimer Morgen" einzudringen und damit das konkurrierende Unternehmen an seinem empfindlichsten Nerv zu treffen. Der Wille der "Rheinpfalz", endgültig auf der anderen Rheinseite Fuß zu fassen, offenbarte sich auch in der Errichtung eines eigenen Verlagsgebäudes in 0 6, 2 in zentraler Lage Mannheims. Der "Mannheimer Morgen" brachte als Abwehrmaßnahme den "Mannheimer Anzeiger" heraus, ein ebenfalls kostenlos verteiltes Anzeigenblatt mit Text-Abfällen aus der Lokalredaktion, das allen Nicht-Abonnenten im Stadtgebiet zugestellt wurde.

Exemplarisch für die Auseinandersetzung der beiden Monopolblätter war die Aufteilung des Zeitungsmarktes in Speyer: Während der "Mannheimer Morgen" die "Speyerer Tagespost" ins Schlepptau nahm, versorgte die "Rheinpfalz" die andere Hälfte der Leserschaft mit ihrer Speyerer Lokalausgabe.

Unterdessen streckte der "Mannheimer Morgen" die Fühler nach der anderen Seite aus: 1975 wurden "Kooperationsverhandlungen" mit der Heidelberger "Rhein-Neckar-Zeitung" bekannt, die sich auf den Anzeigen- und Vertriebssektor erstrecken sollten. Als Unterpfand der neuen Freundschaft sollte vermutlich das defizitäre "Heidelberger Tageblatt" geopfert werden. (167)

Das redaktionelle Monopol, das die drei Zeitungen in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg in ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten besitzen, ist dabei nur die - für das Publikum sichtbare - Spitze des Eisberges. Hinzu treten das Anzeigen- und das Vertriebsmonopol. Dieses dreifach abgesicherte Monopol ist nur durch einen wirtschaftlich überlegenen Konkurrenten zu erschüttern, der hohe Anfangsverluste verkraften kann. Leserzahl, Anzeigenaufkommen und Rentabilität des Vertriebs bilden dabei eine Art "magisches Dreieck".

So spielte sich die Offensive der "Rheinpfalz" in Mannheim zunächst auf dem Anzeigen- und Vertriebssektor ab. Während im neuen Verlagsgebäude in 0 6, 2 ein einziger Redakteur den kümmerlichen Mannheimer Lokalteil der "Rheinpfalz" zusammenschusterte, waren unter den zahllosen Tabak-, Buch- und Zeitschriftenhändlern Mannheims geheimnisvolle Kräfte am Wirken: Angeblich aus Unzufriedenheit mit ihrer Abhängigkeit von den Pressegrossisten entstand plötzlich eine "Interessengemeinschaft der Tabak-, Buch- und Zeitschriftenhändler Mannheim-Ludwigshafen und Umgebung" (TAB), die offenbar nur darauf wartete, sich in die Abhängigkeit von der MAL, einer 1975 von der "Rheinpfalz" gegründeten Pressevertriebsgesellschaft, begeben zu dürfen. Wiederum geheimnisvolle Kräfte bewogen indessen den Bauer-Verlag, dieser MAL die Belieferung mit seinen Erzeugnissen wie "Quick", "Neue Revue", "TV Hören und Sehen" oder "Neue Post" zu verweigern. Als die MAL dagegen klagte - nicht ohne etliche Krokodilstränen über den Mißbrauch von Monopolstellungen zu vergießen - wiesen das Landgericht Mannheim 1976 und schließlich auch das Oberlandesgericht Karlsruhe 1977 die Klage zurück.

Bemerkenswert war die Urteilsbegründung des Oberlandesgerichts: Darin wurde festgestellt, daß nach der Währungsreform von 1948 auf dem Gebiet des Pressevertriebs zunächst Wettbewerb bestanden habe, daß also verschiedene Grossisten auf ein- und demselben Raum dieselben Zeitungen und Zeitschriften an den Endverkäufer brachten. Schon zu Anfang der fünfziger Jahre sei dann eine "Objekttrennung" eingetreten. Das heißt, daß sich die Geschäftsgebiete der Grossisten zwar noch überkreuzten, daß sie sich aber auf den Alleinvertrieb jeweils bestimmter Erzeugnisse einigten. Seit etwa 1971/72 sei dann eine ,.Gebietsabgrenzung" hinzugekommen, wobei die Großverlage mitgewirkt hätten. Das heißt, daß seitdem jeder Pressegrossist in seinem jeweiligen Geschäftsbereich nicht nur ein faktisches, sondern ein ausdrücklich verabredetes und von den "Konkurrenten" respektiertes Monopol besitzt. (168)

Was den Richtern in Mannheim und Karlsruhe gleichsam als naturrechtlich verbriefter Zustand galt, rief indessen kurz darauf das Bundeskartellamt auf den Plan: Es verhängte gegen 17 Zeitungs- und Zeitschriftengroßhändler im Südwesten Geldbußen von insgesamt 853 000 Mark. Bestraft wurde damit freilich weniger der Tatbestand der Kartellabsprache als vielmehr die Offenherzigkeit, mit der ihn die Beteiligten zugegeben hatten. Es schien ihnen gar nicht in den Sinn gekommen zu sein, daß ihre Gebiets-Aufteilungen gegen das Kartellgesetz verstoßen könnten. (169)

Kein Zufall dürfte dabei sein, daß die völlige Monopolisierung der Vertriebswege im Rhein-Neckar-Raum über die Pressegrossisten, wie sie im Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe festgehalten wurde, zeitlich an die geplatzte Fusion zwischen "Mannheimer Morgen" und "Rheinpfalz" anknüpft.

Vor diesem Hintergrund muß auch das Scheitern von Plänen gesehen werden, für Mannheim und Umgebung eine "Mannheimer Rundschau" herauszubringen. Unter diesem Motto liefen Anfang der siebziger Jahre Versuche, den damaligen Verleger der "Frankfurter Rundschau", Karl Gerold, zur Herausgabe einer Lokalausgabe für den Rhein-Neckar-Raum zu bewegen. Unterstützt wurde das Vorhaben von gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Kreisen, die sich im "Mannheimer Morgen" stiefmütterlich behandelt fühlten. Karl Gerold war zunächst auch nicht abgeneigt, dem Wunsch nachzukommen. Seine kaufmännischen Berater rieten jedoch ab. (170)

Umso nachhaltiger schwebt über den etablierten Zeitungsverlagen im Rhein-Neckar-Raum das Damoklesschwert in Gestalt von Axel Cäsar Springers "Bild-Zeitung". Sie ist schon jetzt die jeweils meistgekaufte Zeitung nach den ortsansässigen Blättern. Allein in Mannheim setzt sie täglich eine Auflage von 40000 Exemplaren ab. Sie ist vor allem so marktbeherrschend und - im Verbund mit anderen Springer-Produkten - so unverzichtbar, daß jedem Pressegrossisten vor soviel geballter wirtschaftlicher Macht die Knie zittern müssen.

Niemand könnte Springer daran hindern, seiner "Bild-Zeitung" auch in diesem Gebiet einen besonderen Lokalteil hinzuzufügen, wie er dies schon in verschiedenen Großstädten getan hat. Aufgrund der Machart des Blattes würde er damit zwar kaum den "Mannheimer Morgen" sofort aus den Angeln heben, aber doch einem Anzeigen- und Auflagenschwund aussetzen, der längerfristig bedrohliche Ausmaße annehmen könnte.

Es gehört eine gewisse Finanzkraft dazu, Springer mit seinen eigenen Mitteln zu schlagen, wie dies einst der Kölner Verleger Neven du Mont mit der Herausgabe des Boulevardblatts "Express" und 1979 der Stuttgarter Zeitungsverlag mit der Einführung eines sonntäglichen Supplements zur Abonnementszeitung unter dem Titel "sonntag aktuell" tat. Ob ein Druck- und Verlagsunternehmen mittlerer Größe wie der "Mannheimer Morgen" sie besitzt, muß als fraglich gelten. "sonntag aktuell" erschien Anfang 1980 bereits in einer Auflage von über 800000 Exemplaren. Nachdem auch die "Rheinpfalz" ihren Lesern die sonntägliche Ergänzung offerierte, stand der "Mannheimer Morgen" unter Zugzwang, in seiner Gruppe das Stuttgarter Supplement ebenfalls einzuführen. Den Anfang machte die "Speyerer Tagespost", die in der unmittelbaren Konkurrenz mit der "Rheinpfalz" keinen Tag auf die - für die Abonnenten "kostenlose" - Zugabe verzichten wollte.

Der Stuttgarter Zeitungsverlag zählt zu den größten Medienkonzernen der BRD und ist in Baden-Württemberg absolut führend. Neben "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" sind ihm eine ganze Reihe kleinerer württembergischer Zeitungen angeschlossen. So kommt auch die Programmzeitschrift "iwz", die den Blättern der Zeitungsgruppe wöchentlich beiliegt, mit Leichtigkeit auf Millionenauflagen.

In diesem Zusammenhang eröffnen sich überraschende Perspektiven. Zunächst eine historische: Der gleichnamige Vorläufer des Stuttgarter Zeitungsverlags mit dem "Stuttgarter Neuen Tageblatt" gehörte nämlich ebenso zum Huck-Konzern wie die "Neue Mannheimer Zeitung" und wurde ebenso wie diese in Besitz der NSDAP übergeführt. Die aktuelle Perpektive liegt darin, daß der größte Einzelgesellschafter dieses Konzerns mit 43,57 Prozent die "Rheinpfalz" ist. Der Verleger und Geschäftsführer der "Rheinpfalz", Dr. Dieter Schaub, wurde mit Beginn des Jahres 1980 neuer Geschäftsführer der Stuttgarter Zeitungsverlag GmbH. Damit gehört auch die "Stuttgarter Zeitung" - eine der überregionalen Tageszeitungen der BRD - zum wirtschaftlichen Einflußbereich der "Rheinpfalz". (171)

Fest steht, daß die Bildung lokaler und begrenzt-regionaler Zeitungsmonopole in Nordbaden und der Pfalz abgeschlossen ist. Bei den drei Zeitungen, die jetzt zur "Endausscheidung" antreten - also "Rheinpfalz", "Mannheimer Morgen" und "Rhein-Neckar-Zeitung" - handelt es sich durchweg um ehemalige Lizenzblätter der Besatzungsmächte. Ihre marktbeherrschende Stellung verdanken sie weniger dem vielzitierten "freien Spiel der Kräfte" als vielmehr der anfänglichen Ausschaltung jeder Konkurrenz durch die Besatzungsmacht, die ihnen den marktbeherrschenden Vorsprung sicherte. Indirekt vorbereitet wurde diese Konzentration des Pressewesens aber auch in der Zeit des Nationalsozialismus, wie gerade die Geschichte des Mannheimer Pressewesens zeigt.