Lohn der Anpassung

Wie sich Lizenzen in private Goldgruben verwandelten

Wer von den Lizenzträgern bis 1949 im Amt geblieben war, durfte sich jetzt seine Lizenz vergolden lassen. Aus den ehemaligen Lizenzaten wurden private Verleger. Was sie bis dahin nur als Treuhänder der Besatzungsmacht verwaltet hatten, wurde jetzt ihr persönliches Eigentum. (145)

Die Umwandlung der Lizenzen in Eigentumsrechte an den Zeitungsverlagen paßte in eine Landschaft, die geprägt war von der allseitigen Wiederherstellung der alten kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Sie war zugleich ein kluger Schachzug der westlichen Besatzungsmächte: Weit mehr als Druck, Einschüchterung und Lizenzentzug, die für die Gleichschaltung der Presse in den Jahren 1947 und 1948 typisch waren, prägte nun das neugewonnene Dasein als frischgebackener Unternehmer Bewußtsein und Handeln der ehemaligen Lizenzträger. (146)

Allerdings gehörte den neuen Verlegern nur das Eigentum an ihren Zeitungsverlagen. Die Druckereien, in denen ihre Zeitungen bis dahin auf Befehl der Besatzungsmacht hergestellt wurden, gehörten ja in aller Regel anderen Eigentümern, oft den Verlegern früherer Nazi-Blätter, die nun wieder Morgenluft zu wittern begannen; denn zugleich mit der Umwandlung der Lizenzen in Eigentumsrechte entfiel der alte Lizenzzwang für die Herausgabe von Zeitungen.

Theoretisch hätten auch Bode, Bauser und Kolb, die früheren Besitzer der "Neuen Mannheimer Zeitung", ihr Blatt ab Juni 1949 wieder erscheinen lassen können. Daß sie das nicht taten, hatte verschiedene Gründe. Zum einen hatte sich der neugegründete "Mannheimer Morgen" inzwischen so etabliert, daß es nur mit Millionenaufwand gelungen wäre, ihm diese Position streitig zu machen. Zum anderen verdienten die Alt-Verleger am Druck des "Mannheimer Morgen" nicht schlecht, seit der Währungsreform sogar in harten D-Mark, die sie bei ihren Liquiditätsschwierigkeiten dringend benötigten. (112) Last not least hatte die amerikanische Besatzungsmacht die nötigen Vorkehrungen getroffen, damit die ehemaligen Lizenzträger auch weiterhin in den technischen Betrieben drucken lassen konnten, die ehedem durch Befehl der Besatzungsmacht dazu verpflichtet worden waren. So erließ die US-Militärregierung schon Ende 1948 eine Anweisung, alle noch schwebenden Pachtverhandlungen zwischen Lizenzträgern und Druckereibesitzern bis Ende Januar 1949 zum Abschluß zu bringen. (147)

Im Falle des "Mannheimer Morgen" wurde kurz darauf eine andere Lösung gefunden, nämlich die Kapitalverflechtung von Zeitungsverlag und Druckerei. Zu diesem Zweck trafen sich am 20. März 1951 die ehemaligen Besitzer der "Neuen Mannheimer Zeitung" mit den Verlegern des "Mannheimer Morgen", den ehemaligen Lizenzaten Schilling und Ackermann, vor dem Notariat I in Mannheim. Von den ehemaligen Besitzern der "Neuen Mannheimer Zeitung", die seit der Vermögensentflechtung mit der SPD die alleinigen Besitzer der "Mannheimer Großdruckerei" waren, erschienen freilich nur noch Bauser und Kolb. Ihr Mitgesellschafter Bode war am 12. Mai 1950 in Stuttgart im Alter von 49 Jahren gestorben. Die Witwe Ilse Bode, geborene Sickinger, wurde von Kolb vertreten.

Hier kam es nun zu folgender Vereinbarung: Die "Dr. Haas KG", d.h. die Familien Bode, Bauser und Kolb, trat 15 Prozent ihrer Anteile an der "Mannheimer Großdruckerei" an die beiden Verleger des "Mannheimer Morgen" ab; 7,5 Prozent an Schilling und 7,5 Prozent an Ackermann. Dafür erhielt die "Dr. Haas KG" - das Wort "Verlagsanstalt" in der ursprünglichen Firmenbezeichnung mußte 1947 auf Verlangen der Besatzungsmacht gestrichen werden - im Tauschwege 32 l/3 Anteile am "Mannheimer Morgen". (112)

Fünf Jahre, nachdem ihnen die Amerikaner eine Lizenz wegen ihrer Belastung als NS-Verleger abgeschlagen hatten, kamen die ehemaligen Besitzer der "Neuen Mannheimer Zeitung" somit zu einer Drittelbeteiligung am "Mannheimer Morgen". Die neue Zeitung war endgültig von der Vergangenheit eingeholt worden.

Nicht gerade verwunderlich, aber doch aufschlußreich war die weitere Wandlung des ehemaligen Lizenzträgers Karl Ackermann. Er schien sich entschlossen zu haben, sein früheres Eintreten für den Sozialismus endgültig als Jugendtorheit abzutun, was aus der Sicht eines frischgebackenen Unternehmers und Kapitalisten ja auch nur verständlich war. Dennoch vollzog sich seine Kehrtwendung nicht ganz mühelos. In den Tiraden, mit denen Ackermann fortan die "roten Diktatoren" schmähte, schien ein Stück verdrängter persönlicher Vergangenheit mitzuschwingen. Die Fehlentwicklungen und Verbrechen in der Ära des "Personenkults", an denen seit dem 20. Parteitag der KPdSU kein Zweifel mehr bestehen konnte, dienten Ackermann als willkommener Anlaß, um das sozialistische Kind mitsamt dem stalinistischen Bade auszuschütten. Auch an Lenin, den er 1947 noch zu den "Männern und Helden der Demokratie" gerechnet hatte (148), ließ er zehn Jahre später kein gutes Haar mehr. Die ganze russische Revolution dünkte ihm schließlich nur noch "eine List der Geschichte, um ein zurückgebliebenes Land mit Mitteln der Gewalt und der ideologischen Selbsttäuschung vorwärtszutreiben im zivilisatorischen Prozeß". (149)

So hat die Geschichte, listig wie sie ist, zumindest dem ehemaligen Lizenzträger Ackermann "mit Mitteln der Gewalt und der ideologischen Selbsttäuschung" zu einem neuen Bewußtsein verholfen ...

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