PresseBLICK-Rezensionen "Elektrosmog"

Grundlagenwissen

Hans-Jürgen Haubrich (Hg.)

Sicherheit im elektromagnetischen Umfeld

Berlin und Offenbach 1990: VDE-Verlag, 137 S., DM 29.80

Daß elektromagnetische Felder ein Gesundheitsrisiko sein können, ist völlig unstrittig, was die thermischen Wirkungen betrifft. Zum Beispiel weiß jeder Hochfrequenztechniker, welche Abstände er von starken Sendeanlagen einzuhalten hat. Noch ungeklärt ist aber die Frage, ob eventuell unterhalb der Schwelle der thermischen Wirkung gesundheitliche Risiken durch elektromagnetische Felder zu befürchten sind. Die Literatur auf diesem Gebiet reicht von wissenschaftlich fundierten Studien (vgl. PB 10/91 u. PB 5/92) über Durchwachsenes und Halbseidenes (PB 8/91 u. PB 6/92) bis zu ausgesprochenem Humbug (siehe die vorherige Rezension sowie PB 5/92). Die bisherigen Untersuchungsergebnisse sind, soweit sie Indizien für ein Risiko durch hoch- oder niederfrequente Wechselfelder zu enthalten scheinen, wenig aussagekräftig und stehen im Widerspruch zu anderen Untersuchungen. Jedenfalls ist kaum zu befürchten, daß sich hier plötzlich ein bislang verkannter Abgrund an Gesundheitsgefährdung auftut. Sonst hätte die Vervielfachung von Sendern und Stromverbrauch in den letzten Jahrzehnten die Volksgesundheit der hochentwickelten Länder in signifikanter Weise untergraben müssen. Dies war aber offensichtlich nicht der Fall.

In der Öffentlichkeit bestehen oft recht abenteuerliche Vorstellungen über die Art und Wirkungen dessen, was als "Elektrosmog" durch die Medien geistert. Hinter dem Schlagwort steckt im Grunde nichts anderes als die allseits bekannte physikalische Tatsache, daß jeder stromdurchflossene Leiter sowohl ein elektrisches Feld als auch ein magnetisches Feld erzeugt. Dank dieses magnetischen Feldes wird die Stromerzeugung in Kraftwerken überhaupt erst möglich, funktionieren alle elektrischen Antriebe, Transformatoren, Drosseln und sonstigen Anwendungen des Induktionsprinzips. So beruht die ganze Funktechnik auf dem Umstand, daß bei hohen Frequenzen beide Felder, die sich bei Niederfrequenz noch separat betrachten lassen, zum elektromagnetischen Feld verschmelzen, das sich unabhängig von metallischen Leitern frei im Raum auszubreiten vermag. Um mögliche Gesundheitsrisiken durch solche Felder einigermaßen nüchtern beurteilen zu können, ist die Kenntnis einer ganzen Reihe weiterer physikalisch-technischer Zusammenhänge erforderlich. Zum Beispiel der Unterschied zwischen Gleich- und Wechselfeldern, die unterschiedliche Wirkungsweise von Hoch- und Niederfrequenz oder die Vorgehensweise zur Messung von Feldstärken.

Zehn Fachleute vermitteln Grundlagenwissen

Das vorliegende Buch kann bei der Aneignung solchen Wissens gute Dienste leisten. Die zehn Autoren sind Fachleute aus Medizin und Technik, die als Wissenschaftler oder Praktiker über die notwendigen Erfahrungen verfügen. Sie erläutern zunächst die Grundlagen der Feldtheorie, um dann speziell die "Umgebungsfeldstärken in Freizeit und Beruf" zu beleuchten. Es folgen zwei Abschnitte über die biologischen Wirkungen von Niederfrequenz- bzw. Hochfrequenzfeldern. Im Kapitel "Berührungsspannungen und -ströme an stationären und mobilen Empfangsgebilden" wird erläutert, welche Influenz- und Induktionserscheinungen unter Hochspannungsleitungen auftreten können. Unter der Überschrift "Funktionsverläßlichkeit technischer Implantate in Niederfrequenzfeldern" wird auf besondere Risiken für Träger von Herzschrittmachern eingegangen, die - wie auch andere empfindliche Elektronik - durch starke elektromagnetische Felder aus dem Takt gebracht werden können. Den Schluß bildet ein Überblick über "Grenzwerte für den Personenschutz in nationalen und internationalen Richtlinien und Empfehlungen".

Populärere Darstellung wäre wünschenswert

Wie schon die Kapitelüberschriften vermuten lassen, handelt es sich um keine leichte Lektüre, sondern um ein ausgesprochenes Fachbuch. Laut Umschlagtext wendet es sich "an alle an diesem Thema interessierten oder beruflich damit befaßten Fachleute und Laien, insbesondere an Mitarbeiter von Versorgungsunternehmen, Industrie und Elektrohandwerk, von Behörden und Hochschulen, aber auch an Ärzte und Vertreter der öffentlichen Medien". Ob tatsächlich ein größerer Kreis von interessierten Laien angesprochen werden kann, scheint allerdings zweifelhaft. Dafür ist die Darstellung doch zu sehr auf die traditionelle Klientele des VDE zugeschnitten. Der Verlag scheint sich hinsichtlich der Verbreitungsmöglichkeiten bei einem größeren Publikum selbst keine Illusionen zu machen, denn das ganze Buch kommt im ärmlichen Gewand eines Typoskripts daher. Leider fehlt es noch immer an wirklich allgemeinverständlichen Einführungen in das Gebiet der elektromagnetischen Felder, die den sehr großen Kreis interessierter Laien in wissenschaftlich einwandfreier und dennoch eingängiger Weise anzusprechen vermögen.

(PB Oktober 1993/*leu)