PresseBLICK-Rezensionen Energie und Umwelt



Werner Rittershofer

Das Lexikon - Wirtschaft, Arbeit, Umwelt, Europa

Köln 1994: Bund-Verlag, 7. aktualisierte und erweiterte Auflage, 624 S., DM 49,90


Es gehört Mut dazu, gleich vier umfangreiche Sachgebiete in einem einzigen Lexikon abzuhandeln, das trotz seiner 624 Seiten nur das Format eines Taschenbuches hat. Vollständigkeit ist in diesem Falle aber nicht das Ziel: Laut Klappentext beschränken sich die Stichworte auf die "oft komplizierten zentralen Begriffe, die die Informationen und Diskussionen in den Medien heute bestimmen". Damit eigne sich das Lexikon "insbesondere als Hilfe für Interessenten in Ost und West, auch für Schüler und Studenten, die täglich mit einer Fülle wirtschafts- und sozialpolitischer Informationen aus Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen konfrontiert werden". Es liefere "einen Beitrag zum besseren Verständnis der gegenwärtigen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen und der sie prägenden Schlüsselbegriffe".

Etwas gewunden klingt es schon, wie hier der Zweck eines Werkes umschrieben wird, das im Hausverlag des DGB erscheint und dessen Verfasser die Abteilung Wirtschaft im Hauptvorstand der Deutschen Postgewerkschaft leitet. In der Praxis dürfte es so sein, daß dieses Lexikon vor allem als Orientierungshilfe für Gewerkschafter gedacht ist. Natürlich hat der Verlag nichts dagegen, wenn es auch andere zur Hand nehmen.

Zur schnellen Information auch für Nicht-Gewerkschafter recht nützlich

Das Lexikon erschien erstmals 1975. Die jetzt vorliegende siebte Auflage wurde nicht nur aktualisiert, sondern auch um aktuelle Stichwörter zum europäischen Binnenmarkt und zur deutschen Einigung ergänzt. Die anfängliche Skepsis, ob sich der relativ geringe Umfang des Werks mit einer derartigen Bandbreite verträgt, weicht beim Durchblättern dem Eindruck, daß hier aus der Not eine Tugend gemacht werden konnte. Zum Beispiel erfaßt man mit einem Blick die Arbeitslosenzahlen seit 1960 oder die Kindergeldsätze seit 1975, ohne lange suchen und einzelne Angaben zusammentragen zu müssen. Ebenso rasch erfährt man, was es mit dem "Konjunkturzuschlag" für eine Bewandtnis hatte.

Die Vereinfachung der Information hat freilich auch ihre Tücken, wenn dabei Details untergehen, auf die es eventuell ankommt. Als Beispiel kann eine Globus-Grafik dienen, die den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion der einzelnen europäischen Länder darstellt: Faktisch wird hier nichts anderes als der Anteil der Wasserkraft gezeigt, weil dieser die Anteile der anderen erneuerbaren Energien in fast allen Ländern total dominiert. Mit Vorsicht zu genießen sind auch die Erläuterungen zu etlichen anderen energiepolitischen Stichworten. So wird das einzige deutsche Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle in Morsleben als "Zwischenlager" bezeichnet.

Grundsätzlich ist das Werk aber für die schnelle Information gut zu gebrauchen. Obwohl der Standpunkt des Herausgebers durchschimmert, kommt er meistens nicht aufdringlich zum Ausdruck. Soweit es um reine Fachbegriffe geht, werden sie im allgemeinen kurz, sachlich und verständlich behandelt. Deutlich gewerkschaftspolitisch geprägt sind die Erklärungen nur dann, wenn es für die Arbeitnehmer ans Eingemachte geht. Beispielsweise wird etliches Material angeführt, um den "Sozialabbau" als "Umverteilung von unten nach oben durch die staatliche Haushalts- und Fiskalpolitik" zu charakterisieren. Umgekehrt wird die "Lohn-Preis-Spirale" als "mißverständliches Schlagwort" bezeichnet, das die Arbeitgeber in den 50er Jahren geprägt hätten. Zum Begriff der "Standortdiskussion" findet man die Erläuterung, daß sie hauptsächlich dazu dienen solle, Lohnkosten und betriebliche Sozialleistungen zu senken.

Die Stichworte sind sowohl auf das alltägliche Informationsbedürfnis eines Zeitungslesers wie auf die spezielleren Wünsche von DGB-Kreisvorsitzenden oder Betriebsräten zugeschnitten. Die große Themen-Bandbreite erzwingt Vereinfachungen und Beschränkungen. Wer sich nur in großen Zügen informieren möchte, wird dies freilich als wohltuend empfinden. Das Lexikon paßt in eine Zeit, in der gerade die Informationsüberflutung immer mehr das Bedürfnis nach Beschränkung auf das Wesentliche hervorruft.

(PB März 1995/*leu)