PresseBLICK-Rezensionen Stromwirtschaft



Hans Günter Brauch (Hg.)

Energiepolitik - Technische Entwicklung, politische Strategien, Handlungskonzepte zu erneuerbaren Energien und zur rationellen Energienutzung

740 S., 76 Abb., 100 Tab., geb., DM 148.- Springer-Verlag 1997


In der energiepolitischen Diskussion bilden die erneuerbaren Energien neben der Kernenergie das zweite große Reizthema, über das oft mit sehr viel Eifer, aber wenig Sachkunde debattiert wird. Der Eifer ist insofern berechtigt, als der Menschheit auf lange Sicht wohl kaum eine andere Energiequelle zur Verfügung stehen wird. Wer einigermaßen sachkundig ist, weiß aber auch, daß die erneuerbaren Energien heute noch weit davon entfernt sind, die fossilen Energieträger oder die Kernenergie ersetzen zu können.

Zur Auflösung dieses Widerspruchs will der vorliegende Sammelband beitragen. Er behandelt teilweise dasselbe Thema wie das oben besprochene Buch, aber in vertiefter Form für ein Fachpublikum. Zum Beispiel findet man das Autorengespann Wiese/Kaltschmitt auch hier mit einer Studie, die aber auf "Stand und Perspektiven der Windkraftnutzung in Deutschland" begrenzt ist und diesen Bereich noch wesentlich ausführlicher darlegt. Zugleich wird der Themenkreis über den engeren Bereich der erneuerbaren Energien hinaus erweitert: Ein guter Teil der Beiträge befaßt sich mit CO2-Reduzierung, rationeller Energienutzung und den Bemühungen um einen Energiekonsens. Dabei verharrt der Blick nicht auf Deutschland, sondern bezieht auch das Ausland und weltweite Entwicklungen mit ein. So informiert das Buch über die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung, der Europäischen Union, der USA und Japans. Ausführlich wird auch auf die Möglichkeiten zum Ausbau der Sonnenenergie im Mittelmeerraum und in Afrika eingegangen.

Ringvorlesung wurde zu zwei Sammelbänden über Klima und Energiepolitik erweitert

Das Buch enstand aus einer zweisemestrigen Ringvorlesung, die der Herausgeber Hans Günter Brauch 1994/95 durchführte. Sein Ziel war dabei, die Klima- und die Energiepolitik als neue Problemfelder der Politikwissenschaft einzuführen. Um den Praxisbezug dieses interdisziplinären Dialogs sicherzustellen, bemühte er sich besonders um die Beteiligung von Praktikern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Knapp ein Drittel der Autoren wirkte bereits an dieser Vortragsreihe mit. Dazu gehörten etwa Carl-Jochen Winter vom "Forum für Zukunftsenergien" und Alfred Voß von der Universität Stuttgart, die im ersten der insgesamt zehn Abschnitte aus jeweils unterschiedlichem Blickwinkel über "Energiegeschichte und Energiesysteme" referieren. Mit dabei war auch schon Joachim Grawe, der im sechsten Abschnitt über "Handlungskonzepte und Vorschläge nichtstaatlicher Akteure zur Reduzierung von CO2-Emissionen" den Beitrag der deutschen Stromversorger zum Klimaschutz erläutert. Diese Ringvorlesung erweiterte der Herausgeber zu zwei Sammelbänden, von denen der erste unter dem Titel "Klimapolitik" bereits im selben Verlag erschienen ist und der zweite hiermit vorliegt.

Nach Gediegenheit, Ausstattung und Preis handelt es sich um ein Fachbuch, wie man es aus dem Springer-Verlag gewohnt ist. Wie schon der Titel zum Ausdruck bringt, beschränkt es sich aber nicht auf die Darlegung technisch-wissenschaftlicher Fakten. Es geht dem Herausgeber hauptsächlich um das Aufzeigen energiepolitischer Handlungsmöglichkeiten auf der Basis der erneuerbaren Energien und rationeller Energienutzung. Sein letztendliches Ziel ist die Ersetzung der fossilen Energieträger und der Übergang zum Solarzeitalter. Als Faust im Nacken der Menschheit sieht er dabei weniger die Endlichkeit der fossilen Energieträger als die Gefahr einer Klimakatastrophe durch ihre CO2-Emissionen. Die Kernenergie bildet für etliche der insgesamt 45 Autoren erklärtermaßen auch keine Alternative.

Es liegt in der Natur von Ringvorlesungen und Sammelbänden, daß sie das behandelte Thema nicht systematisch und erschöpfend behandeln. Überschneidungen sind so unvermeidlich wie Lücken. In diesem Sinne ist das vorliegende Buch für Fachleute eine Fundgrube: Man findet zwar nicht unbedingt das, was man gerade sucht, kann dafür aber manche andere nützliche Entdeckung machen.

(PB Januar 1997/*leu)