Dezember 1994

941205

ENERGIE-CHRONIK


Siemens schließt im Hanauer Werk nun auch die Uranverarbeitung

Der Siemens-Konzern hat am 9.12. mitgeteilt, daß er die Fertigung von Uran-Brennelementen im Werk Hanau bis Sommer nächsten Jahres einstellen und ins Ausland verlagern werde. Im April hatte Siemens bereits die Stillegung der Fertigung von Mischoxid-Brennelementen bekanntgegeben. Damit beschränken sich die Aktivitäten des Konzerns in Hanau künftig auf den Weiterbau der neuen - ebenfalls umstrittenen - Anlage zur Herstellung von Mischoxid-Brennelementen, die frühestens in zwei Jahren in Betrieb gehen kann. Wie Siemens-Vorstandsmitglied Adolf Hüttl vor der Presse sagte, hängt die Zukunft dieser Anlage von der Haltung der Kernkraftwerksbetreiber als Abnehmer der plutoniumhaltigen Brennelemente ab.

Hüttl erklärte, daß das Hanauer Brennelementewerk angesichts der Behinderungen durch die hessische Landesregierung zu einem "kostenmäßig nicht mehr akzeptablen Faktor" geworden sei. Im letzten Geschäftsjahr habe der Betrieb mehr als 200 Millionen Mark Verlust gemacht, weitere 100 Millionen Mark kämen im laufenden Geschäftsjahr hinzu. Die Produktion werde in das Siemens-Werk Richmond in den USA sowie nach Frankreich und Belgien verlagert. Die Siemens-Brennelementefertigung in Lingen im Emsland sei mit einer Produktion von 400 Jahrestonnen bereits ausgelastet (DPA, 9.12.; FAZ, 10.12.; siehe auch 940801).

Das Handelsblatt (12.12.) kommentierte: "Der ausstiegsorientierte Gesetzesvollzug im Atomrecht bedeutet eine enorme Verteuerung kerntechnischer Projekte und läßt keinen kalkulierbaren Gesetzesvollzug zu. ... Derzeit ist zu befürchten, daß nationale Wertschöpfungen immer stärker ins Ausland verlagert werden."

Die Frankfurter Rundschau (9.12.) stellte fest: "Die Hanauer Nachricht ist ein neues Stück im bundesweiten Atom-Puzzle, das noch kein klares Bild ergibt. Weil der Bonner ëAtom-Konsensí ausbleibt, wirken die Einzelentscheidungen immer unübersichtlicher: ob Gorleben, Schacht Konrad oder Hanau. Wenn Politik und Justiz keine Ergebnisse mehr bringen, entscheidet die Betriebswirtschaft."

Die Tageszeitung (10.12.) freute sich: "Der Wind weht der Atomindustrie in Deutschland scharf ins Gesicht. Eine satte Mehrheit im Volke wünscht sich inzwischen den Ausstieg aus der ëfriedlichení Nutzung der Atomenergie. Der von der Atomindustrie und den Atomfetischisten in der Politik früher so vehement propagierte ëKernbrennstoffkreislaufí mit Wiederaufarbeitung und MOX-Produktion ist auf nationaler Ebene längst zusammengebrochen."