Mai 1992

920514

ENERGIE-CHRONIK


Piltz und Schröder wollen Stillstand in der Energiepolitik überwinden

Der seit Jahren andauernde Stillstand in der deutschen Energiepolitik muß trotz des ungelösten Streits über die Zukunft der Kernenergie überwunden werden. Dies forderten der Vorstandsvorsitzende der Veba AG, Klaus Piltz, und der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) am 5.5. bei einer Podiumsdiskussion in Bonn anläßlich des einjährigen Bestehens der Niedersächsischen Energie-Agentur. Beide werteten die gemeinsam von der Veba und dem Land Niedersachsen betriebene Agentur als Beispiel für eine erfolgversprechende Zusammenarbeit trotz weiterbestehender Differenzen (dpa, 6.5.; siehe auch 920102).

Über Neubauten zum Ersatz älterer Kernkraftwerke wird angesichts der energiepolitischen Situation in Deutschland nicht vor Mitte dieses Jahrzehnts entschieden werden. Diese Ansicht äußerte Wulf Bürkle, Leiter des Geschäftsgebiets Nukleare Energieerzeugung im Siemens-Bereich KWU, auf der Jahrestagung "Kerntechnik 92" in Karlsruhe (VWD, 6.5.).

Schwierige Suche nach Konsens

"In der Energiepolitik wird auf Zeit gespielt", meinte das Handelsblatt (7.5.). Die Rolle der ostdeutschen Braunkohle bleibe ungewiß, die Finanzierung der vereinbarten Steinkohleverstromung sei keineswegs geklärt und völlig offen bleibe schließlich auch die langfristige Versorgungsrolle der Kernenergie. In der Stromwirtschaft werde ein neuer parteiübergreifender Energiekonsens gefordert. Im Bundeswirtschaftsministerium setze man große Hoffnungen auf eine neu einberufene Kommission von unabhängigen Persönlichkeiten, welche die Chancen für parteiübergreifende Konsensmöglichkeiten ausloten soll. "Diese Hoffnung könnte sich jedoch als sehr trügerisch erweisen. Möglicherweise stehen am Ende der Kommissionsarbeit Mehrheits- und Minderheitsvoten."

Auch nach Meinung der Wirtschaftswoche(8.5.) wird es der vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Kommission schwerfallen, den erhofften Konsens zu erzielen, da SPD und CDU nach wie vor auf ihren Positionen beharrten. Vor der Bundestagswahl von 1994 werde sich bei der SPD wahrscheinlich ohnehin nichts bewegen: "Bis dahin soll die Kommission durch 'die ständige Berieselung der Bevölkerung', so ein Insider, für ein Klima sorgen, daß es ohne Kernkraft doch nicht geht. Durch die Dreifachwirkung von sicheren Reaktoren, drängender werdender CO2-Problematik und erkennbar gutem Willen, alles zur Einführung erneuerbarer Energien und für mehr Sparsamkeit zu unternehmen, könnte die Regierung die Sozialdemokraten doch noch zum Einlenken bewegen. Denn ohne die SPD ist das Ende der Kernkraft vorgezeichnet."