Dezember 2023

231205

ENERGIE-CHRONIK




Nachdem die Subventionierung der Kosten für die Übertragungsnetze gestrichen wurde, steigen die Netzentgelte im neuen Jahr noch stärker, als dies wegen der Kostensteigerungen bei den Verteilnetzen ohnehin der Fall gewesen wäre (gelb durchgestrichene Säule).

Alle Netzkosten treffen die Stromverbraucher jetzt ungebremst

Die Bundesregierung hat eine vom Kabinett bereits beschlossene, aber noch nicht parlamentarisch bestätigte Verordnung zurückgezogen, mit der auch im neuen Jahr die enorm gestiegenen Netzentgelte der Übertragungsnetzbetreiber durch Subventionierung gesenkt werden sollten. Der Grund dafür ist das Urteil, mit dem das Bundesverfassungsgericht am 15. November den Klimafonds um 60 Milliarden Euro kürzte (231101). Im Zuge der so erzwungenen Einsparmaßnahmen stehen auch die 5,5 Milliarden Euro nicht mehr zur Verfügung , mit denen das Netzentgelt der Höchstspannnungsebene von 6,43 Cent je Kilowattstunde auf 3,19 Cent gesenkt werden sollte. Die vier Übertragungsnetzbetreiber teilten deshalb am 13. Dezember mit, dass die bisher angekündigten 3,19 Cent/kWh (231010) hinfällig geworden sind. Stattdessen sehen sie sich nun gezwungen, die inzwischen zwar rückläufigen, aber noch immer sehr hohen Kosten des Höchstspannungsnetzes in voller Höhe zu berechnen und über die Verteilnetzbetreiber an die Endverbraucher weiterzureichen.

Bei den Verteilnetzen ist ein Anstieg um 8,4 bis 9,1 Prozent zu erwarten

Für 2024 ergibt sich so ein Anstieg der Netzentgelte um insgesamt etwa 45 Prozent, wovon ein kleinerer Teil von 8,4 bis 9,1 Prozent auf die Verteilnetze entfällt. Den letzteren Wert errechnete der Energiedienstleister Enet Mitte Oktober aufgrund einer Auswertung der bis dahin veröffentlichten Preisblätter. Inbegriffen war dabei das ursprünglich geplante Übertragungsnetz-Entgelt von 3,19 Cent/kWh. Gegenüber 2023 war dieses gerade mal um 0,07 Cent oder zwei Prozent höher und damit zehnmal geringer als die prognostizierte Erhöhung der Verteilernetzentgelte. Nach der Streichung der Subventionierung schlägt der neue Satz von 6,43 Cent nun ungefähr fünfmal stärker zu Buche als die Anhebung der Verteilernetzentgelte.

In diesem Jahr stiegen die Netzentgelte für Haushaltskunden um 16 Prozent

Bereits in diesem Jahr hätten die Netzentgelte der Übertragungsebene eigentlich um mehr als zehn Cent pro Kilowattstunde steigen müssen, weil die Explosion der Strom-Großhandelspreise an der Börse (siehe Hintergrund, Januar 2023) wie ein Brandbeschleuniger auf die zunehmenden Ausgaben für Redispatch und andere Systemdienstleistungen wirkte (231009). Dieser drohende Anstieg wurde dann aber durch einen Zuschuss von 13 Milliarden Euro aus dem Energie- und Klimafonds verhindert, mit dem das erstmals vereinheitlichte Netzentgelt auf 3,12 Cent gesenkt werden konnte. Es lag damit nur unwesentlich über den Sätzen, die bisher von der vier Übertragungsnetzbetreibern separat erhoben wurden (221009). Ungebremst hinzu kamen allerdings die in den Verteilnetzen anfallenden Netzentgelte, weshalb sich für Haushaltskunden die mengengewichteten Netzentgelte doch um fast 16 Prozent erhöhten (siehe Grafik).

Entlastung der Stromverbraucher ist keine Mildtätigkeit, sondern politische Bringschuld

Wegen des relativen Rückgangs der völlig überhöhten Strom-Großhandelspreise hätte es weniger als der Hälfte des Zuschusses vom Vorjahr bedurft, um die Netzentgelte der Höchstspannungsebene auch 2024 annähend auf demselben Niveau zu halten. Die erneute Subventionierung wäre keine Mildtätigkeit, sondern eine politische Bringschuld gewesen, nachdem die fatale Koppelung der Strompreisbildung an den Gaspreis trotz der offenkundig gewordenen Mängel des bisherigen "Merit Order"-Designs aus rein börsentechnischen Gründen für sakrosankt erklärt wurde. Diese Koppelung belastet nämlich die Stromverbraucher ohnehin schon mit völlig unangemessenen Kosten, die an anderer Stelle des Strommarkts für satte Übergewinne sorgen. Innerhalb der Koalition und auch darüber hinaus hielt es man deshalb für ratsam, die Netzentgelte des Höchstspannungsnetzes erneut zu subventionieren. Als die vier Übertragungsnetzbetreiber am 5. Oktober das neue Netzentgelt von 3,12 Cent/kWh bekanntgaben und mit dem Vorbehalt versahen, dass die noch fehlende gesetzliche Grundlage für den notwendigen Zuschuss bis 6. Dezember vorhanden sein müsse, galt das als bloße Formalität. – Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

 

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