Dezember 2023

231204

ENERGIE-CHRONIK





"Ich unterstütze den Antrag", schrieb der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (mit grüner Schrift), als die BASF 2015 ihren bisher größten Deal mit der Gazprom durch eine Bürgschaft der Bundesregierung absichern wollte. Falls die Wintershall Dea die 1,8 Milliarden nun tatsächlich bekommen sollte, weil sie von Putin komplett enteignet wurde, wäre das zugleich ein anteiliger Geldsegen für die russischen Oligarchen, die 2018 ein Drittel der BASF-Tochter erworben haben.

BASF entledigt sich der Tochter Wintershall Dea

Drei Tage vor Weihnachten teilte der BASF-Konzern mit, dass er seine Tochter Wintershall Dea AG, deren Schwerpunkt einst das Russland-Geschäft war, an die britische Ölfirma Harbour Energy verkaufen wird. Der britische Erwerber zahlt 2,15 Milliarden Dollar und überlässt der BASF 39,6 Prozent der Anteile an der neuen, um den restlichen Besitzstand von Wintershall erweiterten Gesellschaft. Die beiden deutschen Firmensitze in Kassel und Hamburg werden geschlossen. Die weltweit etwa tausend Beschäftigten der Wintershall Dea verlieren fast alle ihre Arbeitsplätze. Dazu gehören hauptsächlich mehr als 800 Mitarbeiter in Deutschland.

Der BASF-Konzern ließ bereits zu Anfang des Jahres wissen, dass er inzwischen jede Hoffnung aufgegeben hatte, seine umfangreichen Investitionen in die russische Gaswirtschaft noch retten zu können. Er wollte deshalb die Beteiligungen seiner Tochter mit 7,3 Milliarden Euro abschreiben abschreiben und für 2022 anstelle eines ursprünglich erwarteten Gewinns von etwa 5 Milliarden Euro einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro ausweisen (230103.

Inzwischen umwirbt der BASF-Konzern statt der Russen die Chinesen

"Wir müssen der Realität ins Auge blicken", hieß es es damals in einer Erklärung des Wintershall-Vorstands. "Russland ist unberechenbar geworden - in jeder Hinsicht. Russlands Krieg und seine Folgen entziehen den Wirtschaftsbeziehungen die Basis: Russland ist kein verlässlicher Wirtschaftspartner mehr." Dass das Unternehmen praktisch verschwinden und seine noch vorhandene Substanz an einen ausländischen Erwerber verkauft würde, war damals aber noch nicht absehbar. Die treibende Kraft bei dieser Entscheidung war der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller, der im April sein Amt abgibt. Als der russische Diktator Putin am 20. Dezember die Wintershall per Dekret auch förmlich enteignete, konnte er sich in der eingeschlagenen Richtung bestätigt fühlen. Zugleich scheint er aber die wichtigste Lektion aus dem Scheitern der von ihm und seinen Vorgängern jahrzehntelang betriebenen Russland-Orientierung noch immer nicht begriffen zu haben, da er nun mit ähnlicher Blindheit für totalitäre Regimes und Unterwürfigkeit viele Milliarden Euro in China zu investieren begann (230203).

Russische Oligarchen profitieren anteilig vom Verkaufpreis

Vom Verkauf der Wintershall Dea profitiert auch der russische Oligarch Michail Fridman, der 2018 mit weiteren Putin-Freunden sämtliche Anteile an der damaligen DEA Deutsche Erdoel AG in die Wintershall Holding GmbH eingebracht hatte und dafür eine Drittelbeteiligung an der BASF-Tochter erhielt. Zuvor hatten sie die DEA dem RWE-Konzern abgekauft, und zwar mit Geld, das aus der Zerschlagung des russischen Ölkonzerns TNK-BP durch Putin stammte. Die Oligarchen stehen auf der Sanktionsliste der EU. Trotzdem werden sie anteilige Aktien am britischen Erwerber Harbour Energy bekommen, die ihrer bisherigen Beteiligung an der BASF-Tochter entsprechen, nur ohne Stimmrechte.

Bundesregierung bürgte für größten Fehltritt der BASF mit 1,8 Milliarden Euro

Außerdem profitieren die Oligarchen möglicherweise auch noch von einer Bürgschaft in Höhe von mindestens 1,8 Milliarden Euro, mit der die Bundesregierung einst die Russland-Geschäfte der BASF abgesichert hat. Konkret ging es um den Tausch von wertgleichen Unternehmensanteilen, den BASF und Gazprom im November 2012 vereinbart hatten (121101) und der dann wegen der gewaltsamen Einverleibung der Krim durch Russland vorerst auf Eis gelegt werden musste, bevor es im September 2015 doch dazu kam (150904). Damit überließ die BASF-Tochter Wintershall das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandels- und Speichergeschäft in Deutschland und Westeuropa komplett der Gazprom. Die Bürgschaft für diesen bisher größten Fehltritt der BASF hatte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) 2015 genehmigt. Und zwar ohne ein Investitionsprüfverfahren, um zuvor mögliche Risiken des Geschäfts für die Bundesrepublik Deutschland zu klären (230203).

Oligarchen gingen auf Tauchstation, verfügen aber weiterhin über Geschäftsanteile

Bis zum russischen Überfall auf die Ukraine war das in Luxemburg angesiedelte Oligarchen-Konsortium "Letter One" an der Wintershall Dea mit 33 Prozent beteiligt. Der Rest von 77 Prozent gehörte der BASF. Als Reaktion auf die von der EU beschlossenen Sanktionen kam es dann zu Umschichtungen innerhalb des Konsortiums und zu einer Verschiebung der Geschäftsanteile (Letter One 27,3 Prozent, BASF 72,7 Prozent). Um möglichst wenig Angriffsflächen als Putin-Freunde zu bieten, traten seitdem die Oligarchen Michail Fridman, German Khan, Pjotr Awen, Alexei Kusmitschow und Andrei Kosogow nicht mehr als Vorstände oder Aufsichtsräte in Erscheinung, verfügten aber weiter über ihre Geschäftsanteile.

Näheres zur Geschichte der 1899 gegründeten DEA ist der Nr. 220203 zu entnehmen.

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