Juli 2019

190708

ENERGIE-CHRONIK


Rechnungshof sieht Versorgungssicherheit durch ungenügenden Netzausbau gefährdet

Der unzureichende Fortschritt beim Ausbau der Stromtrassen stellt ein zunehmendes Risiko für die Versorgungssicherheit dar. Zu diesem Ergebnis kommt ein am 3. Juli veröffentlichter Bericht des Bundesrechnungshofes. "Bei ihren Entscheidungen zur Energiewende hat die Bundesregierung bislang den notwendigen Netzausbaubedarf nicht ausreichend berücksichtigt", sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller. "Deshalb hat der Ausbau der Stromnetze nicht mit dem Ausbau der Anlagen für die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien Schritt gehalten. Diese Situation verschärft sich dadurch, dass viele der Stromerzeugungsanlagen für Erneuerbare Energien ihren Strom an ungünstigen Standorten für das Stromnetz einspeisen." Die Prüfung seiner Behörde zeige auf, dass dadurch in den letzten Jahren erhebliche netzstabilisierende Eingriffe nötig wurden. Das habe die Stromverbraucher allein in den Jahren 2017 und 2018 jeweils rund zwei Milliarden Euro gekostet.

Erzeugungsanlagen sollen verbrauchsnaher errichtet werden

Die Versorgungssicherheit sei zunehmend gefährdet, wenn die bestehende Verzögerung nicht schnell aufgeholt und zugleich der Ausbau Erneuerbarer Energien weiter vorangetrieben werde. Der Bundesrechnungshof empfehle deshalb dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), den Ausbaubedarf zu minimieren, um die Kosten zu begrenzen. Dies könne beispielsweise dadurch bewirkt werden, dass Anlagen für Erneuerbare Energien möglichst nahe am Ort des Stromverbrauchs gebaut werden, oder zumindest dort, wo günstige Bedingungen für den Anschluss an das vorhandene Stromnetz bestehen.

Kosten der Netzengpässe tragen nicht die Unternehmen, sondern die Stromverbraucher

Das derzeitige Entgeltmodell setze den Stromnetzbetreibern nicht genügend Anreize, ihr Netz schnell auszubauen. Denn die Kosten für Netzeingriffe wegen des fehlenden Ausbaus trügen sie nicht selbst, sondern die Stromverbraucher. Eine Verringerung des Ausbaubedarfs der Stromnetze könne das Wirtschaftsministerium auch erreichen, indem es die Stromerzeuger an den Netzausbaukosten beteiligt. So könnten beispielsweise in Regionen mit hoher Netzauslastung die Erzeuger mit einem zusätzlichen Entgelt belastet werden, wogegen sie in Regionen mit niedriger Netzauslastung eine Erstattung für die Vermeidung von Netzausbaumaßnahmen erhalten. Andere europäische Staaten würden bereits derartige Anreize setzen.

Ministerium soll Vor- und Nachteile einer "Deutschen Netz AG" prüfen

Um die Diskrepanz zwischen Netzkapazitäten und Ausbau der Erneuerbaren zu verringern, empfiehlt die Behörde dem Ministerium ferner die Abwägung der Vor- und Nachteile, die sich durch eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse bei den Übertragungsnetzbetreibern ergeben würden. Sie erinnert an die früheren Pläne zur Gründung einer einheitlichen deutschen Netzgesellschaft, die daran scheiterten, dass RWE (110705), E.ON (091101) und Vattenfall (100307) ihre Regelzonenbetreiber an private Kapitalanleger bzw. ausländische Netzbetreiber verkauften. Die vier Transportnetzbetreiber Amprion, TenneT, 50Hertz und Transnet BW würden zwar schon jetzt eng zusammenarbeiten. Eine wirksame Beschleunigung des Netzausbaus mit Reduzierung der Engpassmanagementkosten auf ein effizientes Maß sei aber tatsächlich erst dann zu erwarten, wenn dies im wirtschaftlichen Eigeninteresse der Netzbetreiber liege. Die aktuelle Ausgestaltung der Anreizregulierungsverordnung gewährleiste dies nicht.

Andererseits sei die Schaffung einer "Deutschen Netz AG" mit Staatsbeteiligung noch kein Garant für einen beschleunigten Netzausbau, heißt es abschließend. Damit einhergehende Übergangsprobleme könnten den Netzausbau sogar weiter verzögern. "Sofern der Bund aber dafür stärkere Einflussmöglichkeiten braucht und diese nicht anders erlangen kann, sollte das BMWi veränderte Besitz- und Eigentumsverhältnisse im Sinne einer Handlungsoption prüfen."

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