Mai 2017

170508

ENERGIE-CHRONIK


 

Im bevorstehenden Winter müssen 10.400 MW Netzreserve vorgehalten werden. Das ist soviel wie noch nie. Ein Jahr später dürfte der Bedarf deutlich geringer sein, weil mit der Auflösung der deutsch-österreichischen Stromhandelszone die Netzengpässe entlastet werden.    Im Winter 2015/ 2016 mußten die Netzbetreiber eine Reservekraftwerksleistung von 7.500 MW vorhalten. Wie diese Grafik zeigt, wurde diese Reserve von Oktober bis April an 93 Tagen mit insgesamt 1.220.212 Megawattstunden in Anspruch genommen.

Netzreserve-Bedarf steigt auf über 10.000 Megawatt

Die Bundesnetzagentur bestätigte am 2. Mai den Bedarf an Netzreserve, den die Übertragungsnetzbetreiber gemäß § 3 der Netzreserveverordnung für das kommende Winterhalbjahr 2017/18 angemeldet haben. Er beläuft sich auf 10.400 MW. Zum ersten Mal seit dem Erlaß der "Reservekraftwerksverordnung" vor vier Jahren (130605) überschreitet er damit die Grenze von 10.000 MW. Die Verordnung wurde inzwischen durch das im Juni vorigen Jahres beschlossene "Strommarktgesetz" (160604) novelliert und in Netzreserveverordnung umbenannt. Im Unterschied zur ursprünglichen Fassung tritt sie nun auch nicht mehr zum Jahresende 2017 außer Kraft, sondern gilt unbefristet.

Gesicherte Leistung muß noch um 1.600 MW ergänzt werden

Die Übertragungsnetzbetreiber verfügen bereits über 8.800 MW an gesicherter Leistung, mit denen sie die so ermittelten 10.400 MW an Netzreserve größtenteils abdecken können. Davon stammen 5.700 MW aus deutschen Kraftwerken, die von ihren Betreibern zur Stillegung angemeldet wurden, aber als "systemrelevant" gelten und deshalb auf Anordnung der Bundesnetzagentur als Reservekraftwerke weiterhin vorgehalten werden müssen. Hinzu kommen 3.100 MW aus ausländischen Kraftwerken, mit denen entsprechende Verträge bestehen. Die Beschaffung der restlichen 1.600 MW soll durch weitere Verträge mit ausländischen Unternehmen erfolgen. In der Praxis sind das hauptsächlich österreichische Kraftwerke. Diese sind aufgrund ihrer Lage am besten geeignet, die Netzengpässe zu entlasten, die durch die hohen Exporte von norddeutschem Windstrom nach Österreich entstehen.

Nach Angaben der Bundesnetzagentur geht ein guter Teil des Mehrbedarfs auf einen erhöhten Sicherheitsstandard zurück, den den sie bei der Berechnung angewendet habe, um auch die Möglichkeit systemrelevanter Mehrfachfehler zu berücksichtigen. Gegenüber den Vorjahresberechnungen steige dadurch der für Spitzenzeiten maximal anzunehmende Redispatchbedarf. Vermutlich spielt aber auch das Kernkraftwerk Gundremmingen B eine wichtige Rolle, mit dessen Abschaltung zum Ende dieses Jahres in Süddeutschland eine Leistung von 1.284 MW entfällt.

Engpaß-Bewirtschaftung an Grenze zu Österreich bringt dringend benötigte Entlastung

Ein weiterer Anstieg des Netzreservebedarfs ist jedoch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Für das Jahr 2018/2019 wird ein deutliches Absinken auf 3.700 Megawatt erwartet. Der Bedarf kann dann vollständig aus den zu diesem Zeitpunkt vorhandenen inländischen Netzreservekapazitäten in Höhe von 6.600 Megawatt gedeckt werden. Für den Winter 2019/20 rechnen die Übertragungsnetzbetreiber sogar mit nur noch 1.600 MW. Dieser Rückgang ergibt sich aus dem Engpaßmanagement an der Grenze zu Österreich, das zum 1. Oktober 2018 eingeführt wird (170501).

Allerdings könnte sich ab 2021der Bedarf wieder erhöhen: Im süddeutschen Raum entfallen dann mit der Abschaltung von Gundremmingen C (Ende 2021) sowie von Isar 2 und Neckarwestheim 2 (Ende 2022) gleich drei Kernkraftwerke mit einer Leistung von 3.800 MW. Mit der Fertigstellung der geplanten HGÜ-Strombrücken zwischen dem Norden und dem Süden Deutschlands ist aber erst in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre zu rechnen (170302).

22 Kraftwerke dürfen nicht stillgelegt werden, weil sie als "systemrelevant" gelten

Die "Kraftwerksstilllegungsanzeigenliste" (KWSAL) der Bundesnetzagentur enthält derzeit insgesamt 73 Gas- und Kohleblöcke. Bei 17 steht dabei "geplant vorläufig", bei 30 "geplant endgültig" und bei 26 "endgültig stillgelegt". Insgesamt neun der "vorläufig" und 13 der "endgültig" geplanten Stillegungen sind mit einem Häkchen versehen, das ihre "Systemrelevanz" signalisiert. Diese 22 Blöcke müssen also bis auf weiteres als Reservekraftwerke vorgehalten werden. Mit Ausnahme des Vattenfall-Gasturbinenkraftwerks Thyrow, das als Schwarzstartreserve für das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde benötigt wird, befinden sich diese Kraftwerke durchweg im Süden Deutschlands. Sie verfügen über eine Leistung von insgesamt 6.470 MW. Der größte Teil dieser Kapazität entfällt auf fünf Anlagen der Uniper (2.313 MW), acht Anlagen der Energie Baden-Württemberg (1.271 MW) und zwei Anlagen der Steag (1.377 MW). Weitere betroffene Kraftwerkseigentümer sind die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden, der Papierhersteller UPM, die Darmstädter Entega, die Frankfurter Mainova, die Nürnberger N-Ergie und die Stadtwerke Augsburg.

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