Januar 2012

120101

ENERGIE-CHRONIK


 

 

Die Nennleistung aller Photovoltaik-Anlagen wuchs im vergangenen Jahr um rund 7.500 MW. Wenn der Zubau auf diesem Niveau bleibt, wird die installierte Nennleistung von 54 Gigawatt, die im Energiewende-Szenario der Bundesnetzagentur erst für das Jahr 2022 geplant ist (111209), schon 2015 erreicht sein. Das ist nicht unbedingt eine frohe Botschaft, weil dadurch auch die Strompreise entsprechend steigen. Schon jetzt sind die Subventionen für Solarstrom äußerst umstritten, denn Photovoltaik ist hierzulande wenig ergiebig und die teuerste aller erneuerbaren Stromquellen. Außerdem müssen die privaten Stromerzeugungsanlagen von Millionen Verbrauchern mitfinanziert werden, die kein Eigenheim besitzen, kein Interesse an Solarmodulen haben oder es sogar ärgerlich finden, wie die Dachlandschaft dadurch verunstaltet wird.

Trotz Kürzung der Einspeisungsvergütung neuer Zubau-Rekord bei Photovoltaik

Trotz der 2010 beschlossenen Absenkung der Einspeisungsvergütungen für Solarstrom (100701) hielt der Photovoltaik-Boom im vergangenen Jahr unvermindert an. Insgesamt wurden Anlagen mit einer Nennleistung von insgesamt rund 7.500 Megawatt (MW) neu installiert. Der bisherige Rekord des Jahres 2010 mit einem Zubau von 7.400 MW wird damit noch übertroffen. Dies gab die Bundesnetzagentur am 9. Januar aufgrund einer vorläufigen Auswertung der gemeldeten Daten bekannt. Der Behörde müssen seit 2009 alle neuen Photovoltaikanlagen angezeigt werden, um in den Genuß der Einspeisungsvergütungen zu gelangen (090813).

Allein im Dezember wurden 3.000 MW angemeldet

Der Boom wurde durch das 2011 novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) begünstigt, weil es für ab 2012 neu in Betrieb genommene Anlagen weitere Abstriche an der Förderung vornimmt (110201). Auf Grundlage dieser neuen Bestimmungen hatte die Bundesnetzagentur Ende Oktober die Vergütungen für 2012 um 15 Prozent gesenkt. Sie legte dabei gemäß § 20 a Abs. 3 EEG den Zubau in den zwölf Monaten vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2011 zugrunde, der 5.200 MW betrug. So ergab sich zusätzlich zu der regelmäßigen jährlichen Absenkung der Vergütungen um neun Prozent ein "Deckelungs"-Abschlag von sechs Prozent. Die Bundesnetzagentur zeigte sich damals befriedigt darüber, daß der "atmende Deckel" Wirkung zeige und der Zubau gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 2.600 MW zurückgegangen sei (111012).

In den beiden Monaten zwischen Bekanntgabe und Inkrafttreten der Absenkung hat dann aber der Leistungs-Zubau nochmals lawinenartig zugenommen. Während von Januar bis Ende September nur ein Zubau von rund 3.400 MW verzeichnen war, gingen allein im Dezember Neuanmeldungen von rund 3.000 MW ein. Das waren in einem Monat etwa 40 Prozent der im ganzen Jahr gemeldeten Leistung. Wenn das Kalenderjahr die maßgebliche Berechnungsgrundlage wäre, hätten die Vergütungen ab 2012 nicht nur um 15 Prozent, sondern um 21 Prozent gekürzt werden müssen – bei Überschreiten der Schwelle von 7.500 MW sogar um 24 Prozent.

Torschlußpanik oder bewußte Verzögerung des Zubaues?

Die Flut neuer Anlagen zum Jahresende scheint durch eine Art Torschlußpanik verursacht worden sein, wie sie schon 2009 verzeichnet wurde, als erstmals eine Kürzung der üppigen Einspeisungsvergütungen bevorstand (100403). Möglicherweise hat aber auch die Solarbranche den Bau bzw. die Anmeldung von Anlagen bewußt verzögert, um eine sich einmalig bietende Chance zu nutzen: Ab 2012 sieht das EEG in § 20 a Abs. 5 zusätzliche Abstriche vor, wenn der Zubau zwischen 1. Oktober und 30. April die Grenze von 3.500 MW überschreitet. Diese zusätzliche Absenkung trifft dann alle Anlagen, die in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres in Betrieb genommen werden. Bereits die 4.150 MW im letzten Quartal 2011 würden deshalb zu einer Degression von 12 Prozent führen. Für 2011 galt diese Vorschrift noch nicht.

Die "Frankfurter Allgemeine" (10.1.) warf Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vor, er habe sich von der Solarbranche "sehenden Auges übertölpeln lassen". Die Branche habe "es geschickt angestellt, durch wenig Zubau von Anlagen im Frühjahr eine zum Sommer drohende Förderkürzung zu verhindern, um hernach umso mehr Geld abgreifen zu können". Nun seien "zügige, außerplanmäßige Kürzungen der Förderung" das mindeste, was man von der Politik erwarten dürfe.

"Die Preise für die Anlagen fallen schneller als die Fördersätze gekürzt werden"

Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, kritisierte den vom EEG vorgeschriebenen "Stichtagsmechanismus", weil er dazu beitrage, den Zubau von PV-Anlagen kurz vor einer Förderkürzung deutlich zu verstärken. "Dieser Effekt konterkariert das Ziel des Gesetzgebers, die Kosten der Förderung der Solarenergie wirksam zu begrenzen." Wahrscheinlich werde es im Juni 2012 einen ähnlichen Zubauboom geben, bevor die voraussichtlich 15 Prozent betragende Förderkürzung nach § 20 a Abs. 5 wirksam wird. "Einer der Gründe dürfte sein, daß die Preise für die Anlagen schneller fallen als die Fördersätze gekürzt werden." Falls es bei einem jährlichen Zubau von rund 7.500 MW bleibe, würden die im Szenariorahmen für den Netzausbau erst für das Jahr 2022 geplanten Werte für Photovoltaik (111209) schon spätestens Ende 2015 erreicht. Es sei Sache des Gesetzgebers, aus dieser Entwicklung Schlüsse zu ziehen.

Die Solarbranche machte ihrerseits mobil. Vor allem will sie verhindern, daß die nach unten wie nach oben bewegliche Deckelung durch Ab- und Zuschläge bei der Förderung, wie sie § 20 a EEG je nach Zubau vorschreibt, durch einen festen Deckel ersetzt wird. In Berlin stellte der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) eine Studie des Prognos-Instituts vor, wonach der Anteil der Photovoltaik am deutschen Strom-Mix, der 2012 vier Prozent betrage, bis 2016 auf 6,8 Prozent steigen werde. In diesem Zeitraum werde sich für die Verbraucher der Preis der Kilowattstunde von 24,5 auf 28,2 Cent erhöhen. Die Zunahme des Solarstroms um 70 Prozent mache dabei nur 1,9 Prozent der Mehrkosten aus.

In Zeitungsanzeigen machte der BSW außerdem aus der Not eine Tugend, indem er die bereits erfolgten und bevorstehenden Kürzungen der PV-Vergütungen, die gegen seinen Widerstand durchgesetzt wurden, nun als Beweis für die zunehmende Preisgünstigkeit von Solarstrom feierte: "Seit 1. Januar ist Solarstrom erneut für alle günstiger." Unter Ignorierung aller Faktoren, die den Hauptteil der Stromrechnung ausmachen, verkündete er ferner, daß in diesem Jahr "der Strom vom Dach das Niveau der Verbraucherstrompreise erreichen" werde.