Juli 2010

100712

ENERGIE-CHRONIK


Monopolkommission für bundesweite Regulierung der Wasserversorgung – Stadtwerke protestieren

Die Monopolkommission hält die Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland für "ineffizient". In ihrem 18. Hauptgutachten, das sie am 14. Juli vorlegte, schlägt sie deshalb die Einführung einer bundesweiten "Anreizregulierung" wie beim Stromnetz vor, um die "Ausrichtung der Wasserversorgung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung" zu erreichen. Die öffentlich-rechtlichen und privaten Wasserversorger müßten einander gleichgestellt werden. Die Kommission hält es sogar für vorstellbar, künftig den Betrieb der Trinkwasserversorgung und das Eigentum an den Leitungen voneinander zu trennen.

Von den fast durchweg kommunalen Trägern der Wasserversorgung wurde der Vorstoß entschieden zurückgewiesen. Sprecher des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) und des Bereichs Wasser/Abwasser im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) machten deutlich, daß mit dem Vorschlag der Monopolkommission weder den Verbrauchern noch der Wasserversorgung gedient wäre. Verschiedene Umweltverbände pflichteten ihnen bei, verwiesen aber auch darauf, daß die Wasserpreise transparenter werden müßten (siehe Wortlaut der gemeinsamen Erklärung).

Für die Kommission zählt Trinkwasser nicht zur "Daseinsvorsorge"

Faktisch bricht die Monopolkommission mit ihrem Vorstoß eine Lanze für die weitere Privatisierung der Wasserversorgung, die es bisher nur ansatzweise gibt. Das fünfköpfige Gremium, dem derzeit der Düsseldorfer Volkswirt Justus Haucap vorsitzt, wird vom Bundeswirtschaftsministerium berufen und kann sich in punkto Sachverstand auf die Zuarbeit einer Geschäftsstelle stützen, die beim Bundeskartellamt angesiedelt ist (090802). Seine Interpretation der Sachverhalte ist aber oft sehr ideologisch geprägt. Haucap selbst gilt als eingefleischter Neoliberaler. Er zählt zum Umfeld der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), die im Oktober 2000 von "Gesamtmetall" gegründet und mit einem Etat von jährlich bis zu zehn Millionen Euro ausgestattet wurde, um die Ideologie des Neoliberalismus zu propagieren und als "soziale Marktwirtschaft" auszugeben.

Vor diesem Hintergrund können anscheinend auch die negativen Erfahrungen mit der "Liberalisierung" der Stromwirtschaft, die zu einer erheblichen Verteuerung statt zur Verbilligung des Stroms geführt hat, die Monopolkommission nicht davon abhalten, nun noch einem ärgeren Schildbürgerstreich bei der Wasserversorgung den Weg zu bereiten. In ihrem 18. Hauptgutachten widerspricht sie ausdrücklich der Ansicht, daß es sich bei der Trinkwasserversorgung um "Daseinsvorsorge" handele, die der öffentlichen Hand überlassen bleiben müsse. Immerhin sieht sie noch ein, daß es reichlich abstrus wäre, nun auch bei der Wasserversorgung einen "Durchleitungswettbewerb" veranstalten zu wollen. Sie geht davon aus, "daß wegen zwingender technologischer Gegebenheiten die Trinkwasserversorgung auch zukünftig weitgehend über lokale Monopolisten erfolgen wird". Zugleich plädiert sie aber dafür, diese lokalen Monopolisten per "Anreizregulierung" derart unter Kostendruck zu setzen, daß es zu Fusionen kommt. Solche Fusionen dürften dann "keinen kartellrechtlichen Bedenken ausgesetzt sein, da sich die bereits bestehende natürliche Monopolstellung eines lokalen Anbieters durch die Fusion mit seinem Nachbarn nicht verschärft".

Bisher bestreiten Private nur vier Prozent des Wasseraufkommens

Bisher sind die Wasserbetriebe zu rund zwei Drittel öffentlich-rechtlich und zu einem Drittel privatrechtlich organisiert. Reine Privatbetriebe ohne Beteiligung der öffentlichen Hand sind Ausnahmen und haben nur einen Anteil von etwa vier Prozent am gesamten Wasseraufkommen. Die Monopolkommission konzediert, daß auch die "Gebühren" der öffentlich-rechtlich verfaßten Betreiber kontrolliert werden, indem sie der Kommunalaufsicht unterliegen. Sie hält diese Kontrolle aber für lascher als eine kartellrechtliche Überprüfung der "Preise", wie sie unlängst die hessische Landeskartellbehörde gegenüber den Stadtwerken Wetzlar und anderen privatrechtlich verfaßten Versorgern vornahm (100212).

Falls die Vorschläge der Kommission politisches Gehör finden, könnte das Wassergeschäft auch für die Energiekonzerne wieder interessant werden. Ihr Lobby-Verband BDEW widmet sich ohnehin schon neben Strom und Gas auch dem Wassergeschäft (061214). Allerdings wies auch der BDEW den Vorstoß der Monopolkommission entschieden zurück, was zeigt, daß bei diesem Verband im Bereich Wasser noch immer die Kommunen das Sagen haben und sich nicht einfach über den Tisch ziehen lassen werden. Profitieren würden in jedem Falle Unternehmen wie Veolia, die bereits auf diesem Gebiet tätig sind (100613). Ähnlich wie in der Stromwirtschaft würden unzählige kleine Monopole durch ein "wettbewerblich" drapiertes Oligopol abgelöst, das längerfristig höchstwahrscheinlich nicht zu einer Verbilligung, sondern zu einer Verteuerung der Wasserversorgung führt.

BDEW will unterschiedliche Wasserpreise plausibel machen

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) will den "zum Teil oberflächlichen Preisdiskussionen" bei der Wasserversorgung mit einer "Kundenbilanz" begegnen, die er am 6. Juli in Berlin vorstellte. Das neue PR-Instrument soll es den Wasserversorgern ermöglichen, ihre bundesweit stark differierenden Preise mit den jeweils besonderen Umständen zu begründen und plausibler zu machen.

Die Kundenbilanz verweist vor allem auf strukturelle Rahmenbedingungen, die sich auf die Trinkwasserkosten auswirken. Dazu gehören Wasserherkunft, Rohwasserqualität, Geologie, Topografie, Urbanität und Siedlungsdichte. Zusätzlich führt sie Wasserqualität, Umweltschutz, Instandhaltung, Versorgungssicherheit und Kundenservice als Preisfaktoren an. Ferner gibt sie zu bedenken, daß die Versorger auch Steuern und Abgaben zu entrichten haben. "Diese Rahmenbedingungen können von Ort zu Ort sehr unterschiedlich ausfallen und daher unterschiedlich hohe Kosten verursachen", betonte Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des BDEW.

Volker Staufert vom Vorstand der Kölner RheinEnergie präsentierte die "Kundenbilanz" am konkreten Beispiel seines Unternehmens. Das gezeigte Muster verdeutlichte allerdings, daß von echter "Preistransparenz" noch immer keine Rede sein kann. Der BDEW will das neue PR-Instrument nun in allen Regionen Deutschlands seinen Mitgliedsunternehmen vorstellen und ihnen anbieten, sich daran zu beteiligen.

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