September 2009

090916

ENERGIE-CHRONIK


Stillschweigen des Kunden darf nicht als Zustimmung zu neuem Vertrag ausgelegt werden

Der RWE-Regionalversorger EnviaM teilte am 2. September mit, daß er alle Kunden des früheren Tarifs "vario" weiter in der Grundversorgung beliefere, sofern sich diese nicht ausdrücklich für das Produkt "Pro Klima Strom 2011" entschieden hätten. Das Unternehmen schaffe damit Rechtssicherheit und vermeide es, daß ein Rechtsstreit mit einem Wettbewerber zu Lasten der betroffenen Kunden ausgetragen werde.

Der Wettbewerber war der "Ökostrom"-Anbieter Lichtblick (090902). Vor Gericht war er deshalb gezogen, weil EnviaM den alten "vario"-Tarif durch den hauptsächlich aus Atomstrom bestehenden RWE-Tarif "ProKlima" (081109) ersetzt hatte, ohne die Kunden um einen neuen Vertragsabschluß zu bitten. Die "Vario"-Kunden bekamen stattdessen ein Schreiben, daß ihr Tarif zum 30. Juni 2009 auslaufe und sie automatisch auf "ProKlima" umgestellt würden. Falls sie mit der Umstellung einverstanden seien, bräuchten sie nichts zu unternehmen.

Die Verbraucherzentrale Sachsen riet damals den EnviaM-Kunden, dem Schreiben ausdrücklich zu widersprechen, weil sie mit "ProKlima" eine neue Mindestvertragslaufzeit von zwölf Monaten eingingen. Die Preise seien sogar etwas höher als in der Grundversorgung. Genau genommen handele es sich nicht um eine Vertragsverlängerung, sondern um ein neues Vertragsangebot.

An diesem Punkt hakte der Konkurrent Lichtblick ein: Auf seine Klage hin untersagte das Landgericht Dresden der EnviaM die geplante Überführung der Kunden in den neuen Tarif. Das Oberlandesgericht Dresden hob diese einstweilige Verfügung zwar aus formalen Gründen wieder auf, machte in der Verhandlung aber ebenfalls deutlich, daß die EnviaM nicht von einem rechtsverbindlichen Vertragsabschluß ausgehen kann, wenn sie das Stillschweigen von Kunden als Zustimmung zum neuen Tarif auslegt. Die Richter rieten außerdem der RWE-Tochter dringend, eine Unterlassungserklärung abzugeben, um ein weiteres Gerichtsverfahren zu vermeiden.

Die Unterlassungserklärung will die EnviaM nicht abgeben. In ihrer Pressemitteilung vertrat sie trotz des Rückziehers den Standpunkt, rechtmäßig gehandelt zu haben. Zugleich bot sie solchen ehemaligen "vario"-Kunden, die unbedingt auf "ProKlima" umsteigen möchten, den Abschluß eines entsprechenden Stromliefervertrags an. In der Praxis dürfe es solche Atomstrom-Fans allerdings kaum geben. Und neue Gerichtsverfahren sind nicht zu erwarten: Wer Ende September auf den Internet-Seiten von EnviaM nach "ProKlima" suchte, fand keinerlei Hinweise mehr auf dieses Produkt.