Mai 2007

070504

ENERGIE-CHRONIK


Machtkampf bei VNG: Brinker als Vorsitzender des Aufsichtsrats abgewählt

Bei der ostdeutschen VNG Verbundnetz Gas ist am 15. Mai ein offener Machtkampf entbrannt: Der von der Hauptversammlung soeben neu gewählte Aufsichtsrat kippte seinen bisherigen Vorsitzenden Werner Brinker aus dem Amt, obwohl Brinker als Chef des Regionalversorgers EWE den Hauptaktionär der VNG mit 48 Prozent der Anteile vertritt. Stattdessen wurde Karsten Heuchert zum neuen Vorsitzenden gewählt, der als Vorstandsmitglied des Minderheitsaktionärs Wintershall weit weniger Kapitalanteile repräsentiert. Auch bei der Besetzung der Stellvertreter-Posten wurde die EWE nicht berücksichtigt.

Fronde aus Gazprom, Wintershall und VNG-Management

Ermöglicht wurde die Abwahl Brinkers durch eine Allianz der Minderheitseigentümer Wintershall (15,79 Prozent) und Gazprom (5,26 Prozent) mit den Vertretern der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat, die sich ihrerseits in Übereinstimmung mit dem Management unter dem Vorstandsvorsitzenden Klaus-Ewald Holst wußten. Gegenüber DPA (25.5.) äußerte Brinker die Vermutung, daß die russische Gazprom gemeinsam mit der BASF-Tochter Wintershall und dem VNG-Management seine Abwahl betrieben habe. Nach seiner Einschätzung gebe es "eine klare Koalition zwischen Kassel, Moskau und Leipzig".

Sowohl VNG als auch EWE bewerben sich um Stadtwerke Leipzig

Aktueller Anlaß der "Palastrevolution" war wohl, daß sich die EWE um die Stadtwerke Leipzig beworben hat, die bis Ende des Jahres zu 49,9 Prozent privatisiert werden sollen (070112). Da die Stadt Leipzig rund 5,5 Prozent der Anteile an der VNG hält, würden sich der EWE durch den Einstieg in Leipzig gute Chancen eröffnen, bei VNG vom Haupt- zum Mehrheitsaktionär zu werden. Hinzu kommt, daß sich die VNG gemeinsam mit der SachsenLB ebenfalls um die Leipziger Stadtwerke bewirbt und von der Bewerbung ihres Hauptaktionärs anscheinend erst am 15. Mai aus der "Berliner Zeitung" erfuhr, obwohl VNG-Chef Holst dem Vorstand der EWE angehört. Die EWE bestritt allerdings, daß sie mit dem Einstieg in Leipzig die komplette Kontrolle über VNG anstrebe.

VNG-Chef legt Vorstandsposten bei EWE nieder

Am 21. Mai teilte EWE mit, daß Holst mit sofortiger Wirkung seinen Vorstandsposten im EWE-Konzern niedergelegt habe. Begründet habe er dies mit "anhaltenden Interessenskonflikten über die strategische Ausrichtung" der beiden Unternehmen. EWE-Chef Brinker werde weiterhin an seinem Engagement bei der VNG festhalten. Daher bleibe auch EWE-Vorstandsmitglied Heiko Harms weiterhin im VNG-Vorstand (nach der Übernahme von Anteilen an VNG durch EWE im Januar 2004 waren im März des gleichen Jahres sowohl Holst als auch Harms in den Vorstand des jeweils anderen Unternehmens berufen worden).

Die heutige EWE AG entstand 1998 aus der Fusion des gleichnamigen Regionalversorgers mit dem Überlandwerk Nord-Hannover (980709). Ihr Vorstandsvorsitzender Werner Brinker amtiert seit 2002 als Präsident des VDEW (020612), der derzeit seine Fusion mit dem BGW zu einem neuen Spitzenverband der Energie- und Wasserwirtschaft betreibt (061214). Hauptaktionär der VNG wurde EWE Ende 2003, als der E.ON-Konzern sich wegen seiner Fusion mit Ruhrgas aus dem ostdeutschen Ferngasunternehmen zurückziehen mußte (031208). Zusätzlich zur eigenen Beteiligung von 48 Prozent schloß die EWE damals mit den kommunalen Eigentümern der VNG einen Konsortialvertrag, der dem Pool mit 73,79 Prozent die unternehmerische Führung sicherte und es EWE ermöglichte, die VNG in der eigenen Bilanz zu konsolidieren. Wie sich jetzt zeigte, ist dieses Bündnis aber recht brüchig geworden.