Oktober 2004

041015

ENERGIE-CHRONIK


EnBW-Chef legt sich mit Stuttgarter Wirtschaftsminister an

Der EnBW-Vorstandsvorsitzende Utz Claassen hat sich im Oktober mit dem baden-württembergischen Wirtschaftsminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten Ernst Pfister (FDP) angelegt. Der Anlaß war, daß Pfister von Claassen wissen wollte, wie seine Ankündigung einer "kompromißlosen Null-Fehler/Null-Toleranz-Politik" (040918) zu verstehen sei und wie sie sich mit dem neuen Sicherheitsmanagement vertrage, das der EnBW nach den Pannen in Philippsburg II, Obrigheim und Neckarwestheim auferlegt worden ist. Pfister äußerte die Befürchtung, daß Claassens Drohung, jeden zu entlassen, "der bei den Abläufen und im Kommunikationsverhalten seiner Verantwortung nicht gerecht wird", die EnBW-Beschäftigten einschüchtern und in Kündigungsangst versetzen könnte, was das Sicherheitsmanagement eher gefährde als fördere. Das Sicherheitsmanagement solle Mitarbeiter dazu ermutigen, Fehler zu melden, gab das Ministerium zu bedenken. Es sei deshalb kontraproduktiv, die Mitarbeiter in Angst zu versetzen.

Der Wirtschaftsminister bezog damit eine andere Position als Umweltminister Stefan Mappus (CDU), der Claassens Ankündigung mit Befriedigung zur Kenntnis genommen hatte. Vorausgegangen war ein Streit zwischen dem technischen Geschäftsführer des Kernkraftwerks Neckarwestheim und dem Umweltminister, den Claassen durch sofortige Amtsenthebung des KKW-Leiters beendet hatte. Anlaß des Streits war die verspätete Meldung der Einleitung von radioaktiv kontaminierten Wasser in den Neckar. Die EnBW hat inzwischen einen Bußgeldbescheid über 25.000 Euro wegen Verstoßes gegen die Meldepflichten akzeptiert.

Pfister vermißt bei Claassen"geordnete Umgangsformen"

Auf seine Anfrage zu möglicherweise schädlichen Auswirkungen der angekündigten "Null-Fehler/Null-Toleranz-Politik" erhielt Wirtschaftsminister Pfister von EnBW-Chef Claassen zunächst keine Antwort. Presseberichten zufolge sah Claassen jedoch in Pfisters Ministerium "Chaos" und "wenig Professionalität" am Werk. Als ihm deshalb die FDP-Landeschefin Birgit Homburger "selbstherrliche Arroganz" vorwarf, ließ er über die "Stuttgarter Zeitung" ausrichten, daß es nicht um eine Meinungsverschiedenheit, sondern um ein "intellektuelles Verständnisproblem" gehe: "Nach meinem Eindruck ist Herr Pfister auf ein Spielfeld geraten, auf das er gar nicht gehört: Wir spielen hier Fußball, und der Herr Pfister und die Frau Homburger kommen dann plötzlich mit einem Basketball auf den Platz - und haben das noch gar nicht bemerkt." Am 15. Oktober widersprach Claassen per EnBW-Pressemitteilung einer DPA-Meldung mit der Überschrift "Streit über Atomaufsicht - Pfister bleibt hart - Gespräch mit EnBW". In Wirklichkeit sei es so gewesen, daß Pfister bei einem Telefongespräch die entstandene Situation bedauert habe, worauf er "den Fall dann als erledigt betrachtet und dem Minister einen Termin für ein Treffen in Aussicht gestellt" habe. Das Wirtschaftsministerium sei in dieser Angelegenheit ohnehin nicht zuständig.

Der Wirtschaftsminister ließ seinerseits dem EnBW-Chef am 18. Oktober per Pressemitteilung ausrichten: "Auf dieses Niveau der Auseinandersetzung werde ich mich nicht einlassen. Herr Claassen sollte zu geordneten Umfangsformen im Verhältnis zu Politik und Behörden zurückkehren." Die EnBW könne dem Ministerium "notfalls auch schreiben", falls sie der Aufforderung zu einem Gespräch nicht Folge leisten wolle. Ausdrücklich begrüßte das Ministerium eine "beschwichtigende interne Mitteilung des Konzerns an die unruhige Belegschaft der Kernkraftwerke", in der Claassens Androhung einer "Null-Fehler/Null-Toleranz-Politik" relativiert worden sei. Dennoch bleibe die EnBW in der Pflicht, auch gegenüber dem Wirtschaftsministerium als atomrechtlicher Genehmigungsbehörde Stellung zu beziehen.

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